Marko Dinić

Sonntag, 16. Februar 2020, 17 Uhr

Stadtbücherei Frankenthal, Welschgasse 11, 67227 Frankenthal

Moderation: Gisela Kerntke

» „Sie sind also Schriftsteller?“ fragte ich. Meine Neugier war wieder geweckt.

„Nein, nein! Um Gottes willen, das wäre ja zu viel des Guten. Es ist nicht die hohe Dichtkunst, kein Roman oder so etwas. Es ist vielmehr die Geschichte meiner Familie, die ich aufschreiben will. Knallharte Aufarbeitung, keine Gnade für niemanden! Ich suche nach den Ursachen, wissen Sie, also darf ich keine Rücksicht nehmen, auf meinen toten Bruder nicht, nicht auf meine Mutter oder gar meinen Vater, schon gar nicht auf irgendwelche Serben. Deshalb reise ich viel. Ich will die Leute treffen, denen Leid angetan wurde, diese kontaminierten Orte sehen … Nur die Verbrecher kann ich bei Gott nicht mehr sehen! In meinem Elternhaus sitzt immer noch einer und will nicht verrecken! Ich will nicht in die Verlegenheit kommen, etwas Menschliches in ihnen zu finden. Das würde mich nur durcheinanderbringen und mich von meiner eigentlichen Arbeit ablenken. Mir reicht schon dieser Zoo hier!“ Er deutete auf Zoran, der gerade konzentriert eine Geschichte oder einen Witz erzählte. «

(Aus: Die guten Tage © Zsolnay-Verlag 2019)